Ankunft Bermuda

Die Quittung bekommen wir diesen Sonntagmorgen, dem 15. Mai 2016: Tages-Etmal 109

WellenbergNm. Negativrekord. Jetzt ist aber der Wind wieder da und wir machen bei 12-22 kn Wind ganz gute Fahrt. Außerdem können wir jetzt wieder auf Vor-Wind-Kurs gehen und mit ausgebaumter Genua fahren. Der angekündigte Starkwind bleibt allerdings aus. Ilona hatte uns, und das haben wir bereits vermutet, die maximalen Windgeschwindigkeiten in Böen mitgeteilt, nicht den durchschnittlich zu erwartenden Wind. Für den Abend oder spätestens den nächsten Tag ist dann Nordwind angesagt. Diese Voraussage hatte mich schon die ganze Zeit beschäftigt. Nicht nur, dass ich aus persönlichem Empfinden möglichst schnell auf Bermuda ankommen wollte, sondern auch noch diese Vorhersage mit „Gegenwind“reff_genua machte mich in Bezug auf unsere Geschwindigkeit immer wieder nervös. Also wollten und mussten wir unbedingt heute auf Bermuda ankommen. Dazu brauchten wir jetzt den frischen Wind. Der Motor funktionierte einfach nicht mehr. Wir tauschten noch den wirklich richtig verdreckten Benzinvorfilter und überprüften die Dieselzuleitungen. Es war einfach nichts zu machen. Nach einigen Startversuchen ging  der Motor jetzt überhaupt nicht mehr an. Wir haben ja gottseidank ein Segelboot und sind nur bedingt auf den Motor angewiesen. In unseren frischer_windUnterlagen stand geschrieben, dass man bei Motorproblemen über Bermuda Radio eine Schlepphilfe anfordern und bekommen kann. Um 1600 waren es dann noch 30 Nm bis Bermuda. Wir machten mehr als 6 kn und hofften spätestens gegen 2100 Uhr Bermuda zu erreichen. Wenn wir Glück haben, dann noch in der Dämmerung. Von einer Einfahrt in der Nacht wird ja fast immer abgeraten. Hier hieß es aber, dass die Tonnen alle beleuchtet sind und die Ansteuerung in der Nacht kein Problem ist. Für uns kommt dazu, dass wir durch den Kartenplotter auch in der Nacht unsere Position bestens kennen. Es war jetzt Zeit sich über Funk bei Bermuda Radio zu melden. Wir hatten bereits einige Funksprüche auffangen können. Auf Kanal 16 rief ich motorprobleme„Bermuda Radio, Bermuda Radio this is Bahati, Bahati“. Diesen Anruf tätigte ich bis zu unserer Ankunft unzählige Male. Aber zunächst meldete sich Bermuda Radio und bat uns auf Kanal 27 umzustellen. Dort wurde ich nach den üblichen Daten für eine Einreise, wie Passnummern, Schiffsregistrierung, und ähnlicher Dinge gefragt und darüber hinaus zu unserem Inventar und nach Einzelheiten, wie z.B. der Seriennummer der EPIRB, der Anzahl und Art der Notsignale und der Größe und Bezeichnung der Rettungsinsel. Einige Dinge musste ich erst in unseren Unterlagen nachschlagen und Bermuda Radio wieder zurück rufen. Als diese Dinge dann endlich geklärt waren, fragte  ich nach einer Schlepphilfe. Das war nun nicht so wie in den Unterlagen beschrieben eine übliche und einfache Frage. Die Antwort war zunächst, dass dies bezahlt werden muss. Oder ob wir es uns zutrauen, unter Segel in der St. George Harbour, eine Art Lagune, zu fahren. Zutrauen ja, aber unter Sicherheitsaspekten wäre eine Schlepphilfe zu bevorzugen. Nach einiger Zeit kam die Antwort. Schlepphilfe kostet 400,- US$. Wir tag7_bermudakönnten aber auch vor Bermuda beidrehen und bis zum nächsten Tag warten. Dann käme eine Fähre und das Pilot-Schiff könnte uns schleppen. Eine weitere Nacht beigedreht auf dem offenen Meer. Ich kann mir schöneres vorstellen. Wir entschieden uns gemeinsam für die Schlepphilfe. Als ich dies per Funk übermittelte, fragte mich der Beamte, ob ich ihn richtig verstanden hätte. Das Schleppen kostet 400,- US$ pro Stunde und man benötigt mindestens 2 Stunden. Er hätte allerdings noch eine Idee. Ein weiteres Segelschiff mit 54 Fuss kommt gegen 1200 Uhr an und die würden uns auch schleppen. So entschieden wir auf die teure Schlepphilfe zu verzichten und wollten zunächst unser Glück unter Segel probieren. Um 2000 Uhr waren wir dann bereits vor der Ansteuerung Bermuda und fuhren unter Segel im betonnten Fahrwasser zwischen dem Riff auf die Einfahrt zu. Hier kam der Wind nun aus West, vorher immer Südwest, und es war unmöglich in die schmale Einfahrt hinein zu kommen. Mit einem halben Knoten Fahrt waren wir kaum noch manövrierfähig. Wir schafften es zu drehen und zurück Richtung offene See zu fahren. Bermuda Radio meldete sich noch einmal und teilte uns mit, dass soeben ein weiteres Segelschiff in die bermuda_in_sichtEinfahrt hinein fährt. Er hätte nur kein Funkkontakt zu diesem Schiff. Jetzt war es bereits dunkel und wir holten unseren Scheinwerfer für Lichtsignale an Deck. Tatsächlich schafften wir es, die Aufmerksamkeit des Skippers auf uns zu lenken und ihm unser Anliegen mitzuteilen. Er war bereit uns Schlepphilfe zu geben und wir machten unsere viel zu lange 40m Leine zum Schleppen bereit. Nach vier Versuchen hatten wir endlich eine Verbindung zum schleppenden Schiff hergestellt. Ein netter Franzose der alleine 14 Tage von Kuba aus unterwegs zu den Bermudas war. Völlig übermüdet und, wie wir später erst feststellten, mit gebrochenem Baum. Radio Bermuda erkundigte sich bei uns nach dem Stand. Ich teilte ihnen mit, dass wir jetzt von diesem Segelschiff geschleppt würden. Wir sollten uns gleich zum Ordnance Island und dem dortigen Custom Office schleppen lassen. Aber vor allem, sollten wir unserem schleppenden Skipper mitteilen, dass er sich zu melden hätte. Der wiederum hatte dazu keine Motivation. Er musste alleine steuern und kannte die Gegebenheiten hier auch nicht. Mit mehreren Funkgesprächen forderte mich der Beamte schließlich auf, diesem Skipper unmissverständlich zu sagen, dass er diese Funkanmeldung anordnet (Advise him…). Ich weiß nicht, ob er letztendlich dieser Anweisung gefolgt ist. Er hat uns netterweise zum Anlegesteg vor Customs und Immigration gebracht und hat dann auch selbst noch (und ohne Probleme) einklariert. Um 2230 Uhr waren wir einklarieren. Auf Grund der vorab per Funk übermittelten Daten wurden die Formulare fast komplett von den dortigen Beamten ausgefüllt. Das und auch die Freundlichkeit dort waren sehr angenehm. Der Franzose hat unser Schiff anschließend zur gegenüberliegenden Seite gebracht. Dort durften wir liegen bleiben. Am liebsten hätten die Zollbeamten uns in ein Ankerfeld verbannt. Dort wäre es ungleich schwieriger geworden einen Monteur für den Motor zu bekommen. Die Anlegestelle vor dem Zoll musste frei bleiben, da die ganze Nacht hindurch Segelschiffe eintrafen und per Funk sofort dort zum Einklarieren geleitet wurden. Nach 6 Tagen und 11 Stunden hatten wir die 860 Nm mit 48,6 Motorstunden hinter uns gebracht. Wir waren zunächst einmal froh in einem sicheren Hafen zu liegen. Ohne einen funktionsfähigen Motor kommt man sich aber dennoch recht hilflos vor. Auch die Einfahrt in den St. Georges Harbour wäre unter Segel, selbst bei idealem Wind, nicht einfach geworden. Die Orientierung in der Nacht ist nicht so einfach. Und ohne Motor sollte man sich nicht zu häufig verfahren. Einfacher ist es, wenn die Gegebenheiten bekannt sind. Aber wir hatten unser Problem ideal gelöst und konnten jetzt endlich schlafen.