Anheuern der Überführungs-Crew
Diese Tour haben wir nun in fremde Hände gegeben. Harald Christian Detlef Joachim Köhler, der Skipper, und Gerd Udo Angersbach als Co-Skipper. Der Dritte sollte Thomas Kargetta sein. Über Ilonas Arbeitskollegen ist dieser Kontakt nach Lünen/Bergkamen zustande gekommen. Zu einem absolut fairen Preis wollen die Drei unser Boot gleich bis in die Nordsee fahren. Das Vorgespräch findet mit Harald und Gerd einerseits und Udo, Ilona, Volker und mir in Udo und Ilonas Haus am Donnerstagabend, dem 2. Juni, statt. Für die örtlichen Gegebenheiten auf Bermuda und für unser Schiff habe ich eine Mappe mit Unterlagen vorbereitet. Es stellt sich heraus, dass Harald sich mit Bavaria-Booten bestens auskennt. Er hat im Charter für Bavaria-Boote den Service betrieben. Es wird lange geredet und alle speziellen Dinge erörtert und geklärt. Die Flüge sind für den 14. Juni gebucht. Ein paar Tage vor der Abreise hat Thomas Kargetta einen Unfall und fällt damit für die Fahrt aus. Harald bemüht sich um eine dritte Person. Kann aber so kurzfristig niemanden finden. Zunächst sieht es so aus, als wollen sie zu zweit fahren, bis Harald mir dann am Wochenende vor dem Abflug sagt, dass sie auf keinen Fall ohne einen Dritten lossegeln würden. Der Plan B sieht nun vor, zunächst auf die Bermudas zu fliegen und dort eine dritte fremde Person anzuheuern. Wenn sie niemanden finden, würden sie wieder zurückkommen. Ich hatte Manfred Hase aus dem Tennisclub schon angesprochen. Grundsätzlich hätte er Interesse an einer solchen Reise. Er hatte seinem Tennisteam nur versprochen am Mittwoch noch das Mannschaftsspiel zu bestreiten. Jetzt frage ich ihn, ob er danach dieses Abenteuer antreten würde. Ich gebe ihm die Telefonnummer von Harald und bitte ihn, sich einmal mit dem Skipper zu unterhalten. Danach geht es recht schnell. Am Montag bucht Manfred noch den Flug für Freitag. So können Harald und Gerd schon die Vorbereitungen treffen und Manfred kommt nach. Wenn das Wetter passt, könnte man am Samstag, den 18. Juni starten.
Der geplante Start
Am Samstag, den 18. Juni, wäre alles startklar gewesen, wenn das Wetter mitgespielt hätte. Das beobachtete Sturmtief hatte sich leider nicht zu unseren Gunsten geändert. Es zieht genau auf die Bermudas zu und wird nach unserer Vorhersage am Sonntag 00 Uhr UTC direkt über den Bermudas liegen. Die Zugbahn des Tiefs konnte nicht genau vorausgesagt werden. Die stärksten Entwicklungen werden sich zwar auf der Rückseite bei rund 32°30’N 67°W abspielen, hier sind Wellenhöhen bis 5m und Böen bis 12 Bft zu erwarten. Im Vergleich mögen die Gewitter mit Böen 7-8 Bft entlang unserer Route in Richtung Azoren zunächst etwas harmloser wirken. Die Wellenhöhe liegt hier bei rund 2-3 m. Da die Zugbahn aber eben noch so unsicher ist und die stärkste Entwicklung sich demnach auch schnell noch verschieben kann, ist ein Start heute definitiv nicht empfehlenswert. Selbst wenn noch eine günstige Lücke im Windfeld erwischt wird, sind hier immer noch kräftige Schauer- und Gewitterentwicklungen bis Montag 00 Uhr UTC mit stürmischen Böen zu erwarten und das Tief zieht dann auch nur knapp nördlich unserer Route vorbei, sodass ein Restrisiko besteht, dass auch in dem Bereich der Route am Sonntag Wellenhöhen um 4m und Sturmböen ( ~10 Bft) auftreten.
Ein sicherer Start zeichnet sich nach aktuellem Stand ab Dienstag 00 Uhr UTC ab.
Am Montag, den 20. Juni, war das Tief durchgezogen und auf der Rückseite schwächte sich der Wind ab. Allerdings waren immer noch kräftige Schauer und Gewitter zu erwarten. Um 9:50 Uhr Ortszeit (13:50 UTC), bei 4 Bft. aus S-SSW, ging es dann mit etwa 5 kn Richtung Osten. Nach 4 Stunden konnte zum letzten Mal die AIS-Position übertragen werden (32° 25´13N 64° 22´28W). Jetzt geht es darum, dem S-SSW Wind am unteren Rande des Tiefs so lange wie möglich zu folgen und dabei Richtung Nordosten zu fahren um den SW bis W-Wind auf der Nordseite des Hochs zu nutzen. Direkt im Osten würde das Azorenhoch (Südflanke des Hochs) mit Flaute oder sogar leichtem Ostwind ein Vorankommen ungleich schwerer machen. Zunächst sollte der Wegpunkt 37°N 52°W angefahren werden. Den späteren Berichten zufolge, war der Start zu diesem frühen Zeitpunkt ein Fehler. Der Wind wurde immer schwächer und die Wellen hatten noch die Höhe der durchgezogenen Sturmfront. Zum Eingewöhnen war dies eine denkbar ungünstige Konstellation. Entsprechend schlecht ging es der Besatzung. Für windschwache Tage waren zusätzlich zu den 210 l Diesel im Tank nochmals 4x20l Diesel in Kanistern gebunkert.
Bis heute gibt es keine weiteren Positionsmeldungen von der Bahati. Theoretisch müsste sie am 23.6.16 um 12 UTC etwa bei Position 34° 30N 59° 20W sein. Eigentlich war verabredet, dass täglich eine SMS per Satellitentelefon mit der entsprechenden Position gesendet wird. Es sind leider nur ganz wenige Meldungen auch wirklich angekommen. Das erfolgreiche Senden ist von vielen Kleinigkeiten abhängig. Wird dies nicht eingehalten, kommt die SMS (als E-Mail) nicht an.
Der Routenvorschlag von Wetterwelt vom 21.6.2016 sah wie folgt aus. Diesen sendete ich per SMS via Internet auf das Satellitentelefon:
Das eigentliche Tief liegt heute schon weit im Norden der Bermudas bei 45N, die Kaltfront erstreckt sich heute Abend aber immer noch von 40N 55W – 30N 65W. Die aktuell stärksten Schauer liegen im Norden von Ihnen, eine weitere kräftige Gewitterzelle entwickelt sich gerade knapp S-lich der Bermudas und zieht NNE-wärts, sollte Sie aber hoffentlich nicht mehr erwischen.
Ansonsten bleibt es in etwa bei dem Routenvorschlag von gestern:
Bermudas → WP(1) 37N 52W → WP(2) 41N 46W → vorläufiger WP(3) 41N 36W → Azoren
Die Wetterlage mit dem Azorenhoch im Osten sieht bisher sehr stabil aus. Das Hoch sorgt dafür dass die Tiefausläufer alle weiter im Norden bleiben, so dass Sie bis zum Wochenende ohne größere Störungen im konstanten S-SW-Wind bis WP(1) fahren können.
WP(2) habe ich noch etwas vorgezogen, statt 44W jetzt 46W. Auf dem Weg zu WP(2) wird der Wind wahrscheinlich im direkten Einflussbereich des Hoch langsam etwas schwächer und pendelt dabei zwischen SSE und SSW…
Ab dem Wochenende lohnt es sich dann die genaue Lage des Hochs noch einmal zu prüfen… es könnte sein, dass Sie sogar noch etwas weiter nach Norden bis 42N hoch gehen müssen, um nicht in das Schwachwindfeld nahe des Hoch-Zentrums zu fahren, sondern im SW-W-Wind zu bleiben…
Am 25.6. erreiche mich eine Positionsmeldung der Bahati:
36 21n 52 48w
Darauf erhielt ich eine neue Ausarbeitung der Route von Wetterwelt:
26.6.2016: Wetterlage:
Die Großwetterlage auf dem Nordatlantik wird zurzeit dominiert von einem sehr ausgedehnten Azorenhoch. Es liegt derzeit mit seinem Zentrum 1037 hPa bei 43N 32W … also etwas nach N verschoben … und mit einem Rücken nach SW gerichtet … 1030 bei 38N 50W. Das NE-lich gelegene Zentrum des Hochs baut sich bis morgen etwas ab und das Hochdruckzentrum sammelt sich dann in den nächsten Tagen bei 1034 40N 35W-40W. Es wird dann über einen großen Bereich sehr wenig Druckgegensätze geben (der Bereich mit >1030 hPa erstreckt sich am Mittwoch über 33N 47N – 22S – 52W. Zum nächsten Wochenende dann wird sich das Hochzentrum mit 1035 dicht NW-lich der Azoren aufhalten; dann ist an der W-Flanke (entlang etwas 40N) mit etwas signifikanterem SW-Gradienten zu rechnen.
Routenvorschlag:
der Routenvoschlag bleibt grundsätzlich bei derselben Strategie wir zuvor:
→ vorläufiger WP(2) 41N 46W → vorläufiger WP(3) 41N 36W → Azoren
damit erhöhen wir die Chancen, mit dem N-Bogen immer in genügend Wind zu verbleiben, um auf BB-Bug segeln zu können. Falls es die Situation zulässt können Sie etwas höher an den Wind gehen, damit sie ein bisschen östlicher auf 41N gelangen und etwas Wegstrecke einkürzen. Die Strecke über WP(3) könnte vielleicht auch etwas eingekürzt werden: nämlich wenn Sie hin zum WP(3) guten und konstanten Druck aus SSE -> SW verspüren, dann wäre auch schon ab LON 40W ein direkter Routenansatz hin zu den Azoren möglich. Dazwischen sollte aber LAT 41N anvisiert werden, weil sonst zu wenig Druck im Windfeld herrscht.
Streckenwetter entlang obiger Route mit SOG 5 – 6 kn:
LEGENDE: Zeit(UT) Windrichtung Windmittel in Bft. / Böen in Bft. / Wellenhöhe in m / Wellenrichtung / Wellenperiode in s / Luftdruck in hPa / signifikantes Wetter / Luft Temperatur in °C
Sonntag 26-06-16
06 SE 3 / 4 / 1,5 / WSW / 8 / 1027 / leicht bewölkt, trocken / 23
12 SE 3-4 / 4 / 1,5 / WSW / 7 / 1029 / leicht bewölkt, trocken / 23
18 SE 3-4 / 4-5 / 1,2 / SSW / 7 / 1029 / leicht bewölkt, trocken / 23
Montag 27-06-16
00 ESE 3-4 / 4-5 / 1,2 / S / 6 / 1030 / fast wolkenlos, trocken / 23
06 ESE 3-4 / 4-5 / 1,2 / SE / 6 / 1030 / leicht bewölkt, trocken / 23
12 ESE 3-4 / 4 / 1 / SE / 6 / 1031 / leicht bewölkt, trocken / 22
18 SE 3 / 4 / 1 / SE / 6 / 1031 / leicht bewölkt, trocken / 23
Dienstag 28-06-16
00 SE 3 / 4 / 1 / SE / 6 / 1032 / wolkig, trocken / 22
06 SE 3 / 4 / 1 / SE / 6 / 1031 / leicht bewölkt, trocken / 22
12 ESE 3 / 4 / 1 / SE / 6 / 1032 / leicht bewölkt, trocken / 22
18 SE 3 / 3-4 / 1 / SE / 6 / 1032 / fast wolkenlos, trocken / 22
Mittwoch 29-06-16
00 SE 2-3 / 3-4 / 1 / SE / 7 / 1032 / fast wolkenlos, trocken / 21
06 SE 2-3 / 3-4 / 1 / SE / 7 / 1031 / wolkig, trocken / 21
12 SE 3 / 4 / 1 / SE / 6 / 1033 / leicht bewölkt, trocken / 21 (nahe WP(2)
18 SE 3-4 / 4 / 1 / SE / 6 / 1032 / wolkig, trocken / 21
Donnerstag 30-06-16
00 SE 2-3 / 3-4 / 0,8 / SE / 6 / 1033 / fast wolkenlos, trocken / 21
06 SE 2 / 3 / 0,8 / SE / 6 / 1032 / fast wolkenlos, trocken / 20
12 SSE 3 / 3-4 / 0,8 / ESE / 7 / 1033 / leicht bewölkt, trocken / 20
18 S 2-3 / 4 / 0,8 / SE / 6 / 1033 / wolkig, trocken / 21
Freitag 01-07-16
00 SSE 3 / 3-4 / 0,8 / SE / 6 / 1034 / leicht bewölkt, trocken / 21
06 S 3 / 4 / 0,8 / SE / 6 / 1032 / leicht bewölkt, trocken / 20
12 S 3-4 / 4 / 0,8 / ESE / 6 / 1033 / leicht bewölkt, trocken / 21
18 SSW 3-4 / 4 / 0,8 / SE / 6 / 1033 / fast wolkenlos, trocken / 21
Samstag 02-07-16
00 S 3 / 3-4 / 0,8 / SE / 7 / 1033 / wolkenlos, trocken / 20
06 SSW 4 / 4-5 / 0,8 / SE / 6 / 1031 / fast wolkenlos, trocken / 20 (nahe Pos. 41N 39W)
12 SSW 3-4 / 4 / 1 / SSE / 6 / 1032 / leicht bewölkt, trocken / 21
18 SW 4 / 5 / 0,9 / E / 6 / 1030 / leicht bewölkt, trocken / 21
Sonntag 03-07-16
00 SW 3-4 / 4-5 / 0,8 / S / 7 / 1031 / fast wolkenlos, trocken / 21
06 SW 4 / 5 / 0,8 / SW / 7 / 1029 / – / –
12 WSW 4 / 5 / 0,9 / WSW / 7 / 1030 / – / –
Auch diese Infos gab ich weiter an das Satellitentelefon auf der Bahati. Die nächsten Meldungen erreichten mich wie folgt erst wieder viel später:
Bahati 5.7.2016: pos 44 36N 029 59W
Bahati 6.7.2016: pos 44 43N 29 00W 80grad 4bis5 kn vorwind
Bahati 8.7.2016: verg. nacht bis 8bft war nicht angenehm / pos 45 50N 23 17W
Zu der vorstehenden Info passen die Grib-Daten des Wetterwelt-Dienstes. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli um 0 UTC, deutlich vor der gemeldeten Position am 8. Juli um 15 UTC: Wind um 45 kn aus SW und Wellenhöhen von 5 bis sogar 7m.
Bahati 11.7.2016: pos 47 23N 13 04W DO vorauss. Brest
15.7.16, Infos aus Brest
Liegeplätze dort nicht verfügbar. Es läuft sowas wie „Kieler Woche“. Liegen jetzt im Päckchen in der Moulin Blanc. Am Dienstag gibt es wohl einen festen Platz. So lange bleiben Gerd und Manfred noch dort. Harald kommt mit den defekten Autopiloten zurück. Er will sehen, ob er ihn reparieren kann. Der Windpilot würde gar nicht funktionieren. (?)
Unsere Bahati war nach 2.870 Nm und ca. 580 h, das entspricht einem Schnitt von etwa 5 Knoten, wieder in Europa und die Besatzung ist wohl auf. Was alles unterwegs passiert ist, erfuhren wir erst nach und nach. Bis jetzt war bekannt, dass der elektrische Autopilot wieder einmal defekt ist. Da die Crew nicht mit dem Windpiloten zurechtkam, hat sie den elektrischen Piloten eingesetzt. Dafür hat er lange gehalten. Das Getriebe hat unterwegs viel Öl verloren. Aus diesem Grund sind sie die letzten Meilen vorsichtshalber auch bei wenig Wind hauptsächlich gesegelt. Und die Rollgenua war zerrissen. Sie hatte sich unterwegs zwischen Vorstag und Kutterstag verfangen. Dass dieses Kutterstag hätte weggenommen werden müssen, hatte Harald bei der Übergabe wohl überhört. Und die angefertigte Mappe hatte sich niemand mehr angesehen. Später erfuhren wir noch, dass sie unterwegs beinahe das Ruder verloren haben. In der Werft auf den BVI wurde das Ruder kontrolliert und falsch wieder zusammengebaut. Die obere Mutter auf der Ruderachse hält normalerweise das ganze Ruder. Diese Mutter war falsch herum aufgeschraubt und konnte sich dadurch im Laufe der Zeit lösen. Glücklicherweise ist die lose Mutter nicht in den Atlantik gefallen sondern lag neben dem Ruderlager an Deck. Bei weinig Wind und Seegang konnte Harald dann im Schiffsinneren die Ruderachse packen und wieder nach oben schieben. Oben an Deck schraubte Manfred die Mutter wieder auf die durchgesteckte Ruderachse und sicherte dies mit der Sicherungsschraube, die bei der richtigen Verwendung der Mutter auch wirklich sichert. Wer schon einmal ein Ruder ausgebaut hat, weiß, dass das Ruder eine hohes Gewicht hat und es schon während der Fahrt viel Glück und Kraft braucht, um es wieder in das obere Lager einzufädeln.
Harald musste jetzt schnell zurück nach Deutschland. Er war schon einige Tage überfällig. Manfred und Gerd boten an weiter zu fahren, allerdings nur mit einem funktionierenden Autopiloten. Das war nicht zu machen. Der Autopilot konnte nicht in so kurzer Zeit wieder instand gesetzt werden. Direkt an der Kupplung waren die elektrischen Anschlüsse abgerissen. Die Mechanik des Autopiloten hatte seit der letzten Reparatur gehalten. Es musste eine neue Kupplung bestellt werden. Die Lieferzeit betrug mal wieder ca. 2-3 Wochen. Und das ist schon fast eine (positive) Sensation. Also brachten Manfred und Gerd das Schiff in eine eigene Box und kamen danach auch zurück nach Deutschland. Die letzte Etappe von Brest nach Heiligenhafen wollten wir selbst durchführen. Die Planung und Vorbereitung dazu konnte beginnen.