Basseterre von Süden
Sonntag, 21.2.2016. Nach einer weiteren verschaukelten Nacht machten wir uns nach
Percy, unser Taxifahrer
dem Frühstück, um kurz nach 0900 Uhr, auf den Weg in die Stadt. Wir wollten ein Taxi finden, welches uns zuerst zum Flughafen zur Immigration bringt und anschließend mit ins eine Inselrundfahrt unternimmt. Gleich an der Straße vom Hafen in die Stadt kam uns ein Taxi entgegen. Wir waren uns schnell einig. Die Fahrt zum Flughafen sollte 15 US$ kosten und die Inselrundfahrt anschließend 80 US$. Wir fanden das ganz in Ordnung. Eine andere deutsche Segelcrew hatte am Morgen, als sie mit dem Dinghy an unserem Boot vorbei kamen, gefragt ob wir gemeinsam zu Flughafen fahren wollen. Sie waren auf dem Weg zum Zoll. Da es viel zu
Flughafen Golden Rock
lange dauerte, hatten wir beschlossen alleine loszufahren. Sie, die andere deutsche Crew, wollte die Inselrundfahrt mit der Schmalspurbahn unternehmen, die in der Vergangenheit für den Transport des Zuckerrohrs eingesetzt wurde und entlang der Küste um die gesamte Insel fuhr. Wir hatten dies auch in Erwägung gezogen, aber auf Grund der größeren Flexibilität uns für das Taxi entschieden. Später erfuhren wir, dass die Bahn nur öffnet und fährt, wenn Cruising-Schiffe im Hafen liegen. Außerdem fährt die Bahn nur noch die Ostküste ab. Auf diese Weise sieht man nichts von der wesentlich interessanteren West- bzw. Karibikküste. Da keine Cruisingschiffe im Hafen lagen, war dies an diesem Sonntag sowieso keine Option mehr. Diese deutsche Segelcrew trafen wir bei unserer Inselrundfahrt wieder und erfuhren so über die Betriebszeiten der Bahn und dass wir fast identische Preise für das Taxi zahlen. Da Sascha täglich mehrere Liter Wasser trank, was sicherlich richtig ist, aber dennoch ungewöhnlich, da es schmackhaftere Getränke gibt, ging unsere erste Fahrt zum Supermarkt. Ich hoffte, dass wir, bzw. Sascha, an diesem Tag mit der Palette 0,33 Liter Wasserflaschen auskommen würden. Danach brachte uns unser Taxifahrer Percy zum nahegelegenen Flughafen „Golden Rock Airport“. Er zeigte uns den Weg zum Immigration und fuhr zwischenzeitlich
Hangover Tree
zu seinem Haus in der Nähe. Wir mussten den Zoll passieren und den Beamten dort erst einmal erklären, dass wir bereits im Hafen beim Zoll einklariert haben und jetzt nur noch zur Immigration wollten. Wir wurden dann durch das Flughafengebäude zu den Ankunftsschaltern begleitet. Auch diese Beamten waren nicht ganz so fit mit den Abläufen für eine Einreise einer Yacht. Hier dauerte das etwas länger und der gute Mann hatte einige Rückfragen bei seiner Kollegin. Dass trotzdem nicht alles so perfekt abgewickelt wurde, erfuhr ich später beim Ausklarieren. Aber wir hatten unsere Stempel im Pass. Als wir das Flughafengebäude verließen, kam Percy wieder angefahren. Jetzt konnten wir unsere Rundfahrt starten. Die ersten Stopps gehörten den Universitäten für Medizin und Veterinärmedizin. Viele US-Amerikaner kommen zum Studium auf diese Insel. Das erzählte uns Percy mit großem Stolz. Anscheinend kommt aber kaum ein Student in die Hauptstadt Basseterre. Wir hielten noch an einem Baum, welcher mit weißen Vögeln, meiner Meinung nach sind das wohl Kuhreiher (Cattle Egrets), voll besetzt war. Mich erinnerte dieser Baum an Grzimeks Tierfilme aus Afrika. Nach diesem Eindruck tauchten wir dann aber ab in die Geschichte der Insel und damit auch der Karibik.
Old Road Bay
Im Januar 1623 landete in der Bucht Old Road Bay Sir Thomas Warner, Kapitän der Englischen Flotte James I, mit seiner Familie und 14 anderen Briten. Er hatte den Auftrag für die Britische Krone eine Insel der kleinen Antillen zu kolonialisieren. Wegen der strategisch guten Lagen, der freundlichen Einwohner, der Frischwasserdepots und der großen Salzvorkommen, entschied er sich für die Insel San Christóbal, die er später zu St. Christopher anglisierte und schließlich zu St. Kitts verkürzt wurde. Von hier aus begann die britische Kolonialisierung der Leeward Inseln. Zucker und Tabak hatten die Briten hergelockt. Das Anwesen der Warner Familie diente bis 1727 als Hauptstadt der Insel, die danach Basseterre wurde. Das friedliche Zusammenleben mit den Karibischen Einheimischen dauerte nur wenige Jahre
Bloody River heute
und endete mit dem Massaker am Bloody River 1626, wo von den Briten und Franzosen 200 Einheimische und 2.000 Indigene getötet wurden. Die Briten hatten 1625 einigen Franzosen, die nach einem Kampf gegen ein spanisches Kriegsschiff Zuflucht suchten, den Zugang zu St. Kitts gestattet. Von da an teilte sich die Insel in ein britisches und ein französisches Territorium. Die Siedler kultivierten und entwickelten die Plantagen.
Auf dem Weg zur Wingfield Pantage geht es durch die ursprüngliche Hauptstadt von St. Christóbal, die oberhalb von Old Road Bay lag. Hier findet man einige Felszeichnungen der karibischen Ureinwohner (Petroglyphen). Das Bild zeigt originale Stein-Ritzereien der Ureinwohner. Die beiden Figuren sollen wohl Götter oder Geister darstellen. Die Wingfield Estate Fabrik steht als Beispiel für die Entwicklung der Plantagen in der Karibik.
Die ersten hier wachsenden und kommerziell genutzten Pflanzen waren Tabak, Baumwolle und Indigo. Ab 1682 wurde in der Wingfield Fabrik hauptsächlich Zuckerrohr
Zuckerrohr
bearbeitet und eine neue Wasserkraft-Fabrik zur Umwandlung des Zuckersirups in Zucker erbaut. Während des 17. Und 18. Jahrhunderts wurde immer mehr Land kultiviert, die Fabrik erweitert und neben dem Zucker auch Molasse und Rum für den lokalen Markt und den Export produziert. Währen das Zuckerrohr immer von Hand geerntet werden musste, wurde in der Fabrik seit Ende der 1850er Dampf- und Wasserkraft eingesetzt. 1920 schloss die Fabrik und die Pflanzen wurden seit dem mit der Schmalspurbahn in die neue Zuckerfabrik in Basseterre gebracht.
Auf unserem Rückweg zum Bus konnten wir im dichten Busch noch einige der schwarzgesichtigen Samtaffen entdecken. Die Franzosen brachten die Affen mit auf die Insel. Diese fühlten sich hier anscheinend sehr wohl, denn die Population der Affen hat die der Einwohner der Insel, Stand 2016 etwa 39.000, bereits übertroffen. Auf dem Hügel oberhalb der Wingfield Fabrik befindet sich Romney Manor, die ehemalige Residenz des Grafen von Romney, heute eine Batik-Fabrik, die am Sonntag geschlossen ist. Neben dem wunderschönen Garten ist hier der wohl einzige erhaltene Glockenturm zu sehen. Die Glocken wurden zur Kontrolle des täglichen Lebens der Sklaven genutzt. Die wichtigen Tagesereignisse, wie zum Beispiel Arbeitsbeginn und –Ende, wurden mit dem Glockenschlag angezeigt. Wegen der großen Symbolik dieser Türme, wurden diese nach der Sklavenbefreiung fast ausnahmslos zerstört. Da der Graf von Romney als ein sehr wohlwollender und gütiger Eigner galt, und er seine Sklaven sofort nach dem Ende der Sklaverei, ohne die sonst übliche Verzögerung, in die Freiheit entließ, haben seine ehemaligen Sklaven diesen Turm nicht angerührt.
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Romney Manor Garten
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Glockenturm
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Anwesen
Weiter geht es vorbei an der ersten Anglikanischen Kirche im Osten der Karibik, der St. Thomas Kirche. Hier ruhen die Gebeine von Thomas Warner, dem ersten Englischen Gouverneur der West Indies und Samuel Jefferson, einem Vorfahre von Thomas Jefferson, dem 3. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Die große Festung auf dem Brimstone Hill, einem Hügel aus vulkanischem Gestein, war bereits von Wingfield aus gut zu sehen und ist nun unser nächstes Ziel. Es geht von der Küstenstraße rechts ab durch Wald und über Serpentinen hinauf zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Brimstone Hill
Die riesige Fortanlage hat eine lange Geschichte. Der Ursprung liegt sicher in der Hilfsbereitschaft Sir Thomas Warner gegenüber den geschlagenen und gestrandeten Franzosen. Er hatte den Franzosen gestattet auf St. Kitts zu bleiben. Fortan teilten sich Briten und Franzosen die Insel. Im Westen und Osten pflanzen die Franzosen und das Zentrum der Insel wurde von den Briten bewirtschaftet. Der Half Way Tree ist ein ehemaliger Grenzpunkt an der Küste. Das friedliche Zusammenleben hielt nicht lange an und so errichten die Briten zunächst Forts aus Holz an der Küste um ihr Territorium zu schützen. Aber diese Forts waren schlecht zu verteidigen und wurden mehrfach eingenommen und wieder befreit. 1690 begannen die Briten schließlich ein Fort auf dem Schwefelhügel Brimstone Hill zu errichten. Bisher war man nicht in der Lage schweres Gerät, Kanonen und Baustoffe auf diesen Hügel zu bringen. Jetzt aber, mit Hilfe von tausenden Sklaven, begann nun eine fast 100 jährige Bauzeit, bis sich das Fort den Beinamen „das Gibraltar der Karibik“ verdient hatte. Noch während der Bauzeit wurde das Fort immer wieder überfallen, belagert und wieder befreit. Am 13. Februar 1782, nach über dreiwöchiger Belagerung, erobern 6.000 Franzosen das Fort und besetzten es. Als Zeichen des großen Respekts gestatten die Franzosen den Briten einen Rückzug in geordneter Marschformation. Ein Jahr später eroberten die Briten die Festung zurück und erwiesen den Franzosen den gleichen Respekt. Im Frieden von Paris 1783 erhielten die Briten St. Kitts erneut zurück. Um 1800 herum erwuchs nun Jahr um Jahr ein weitläufiger Festungskomplex und wurde so die größte je von den Briten erbaute Militäranlage in der östlichen Karibik. Zu der Hügelfestung zählen Magazine, Kasernen, Kasematten, Werkstätten und ein eigenes Wasserversorgungssystem. Die auf dem nördlichen Gipfelpunkt befindliche Zitadelle ist eine der frühesten und am besten erhaltenen britischer Festungsbau polygonaler Bauweise. Die britischen Investitionen in diese Festung lohnen sich, denn auch während der langjährigen Auseinandersetzungen mit dem revolutionären Frankreich von 1791 bis 1815 konnte Brimstone Hill nicht mehr eingenommen werden und ein Landeversuch der Franzosen in Sandy Point endete schnell unter den Kanonen von Brimstone Hill.
Hier auf diesem Hügel diese Geschichte irgendwie zu spüren und dabei die Aussicht zu
Blick auf St. Eustatius
genießen ist überwältigend. Im Süden sieht man die ebenfalls britische Insel Nevis, im Norden die niederländische Nachbarinsel St. Eustatius und zu Füßen des Hügels liegt die historische Stadt Sandy Point. Die Besichtigung des Forts ist nicht kostenlos. Pro Person haben wir 10 US$ bezahlt. Im Touristen-Informationscenter konnten, bzw. mussten, wir uns vorab ein Video über Brimstone Hill ansehen. Unser Taxifahrer ließ uns keine Wahl. Er sorgte aber auch dafür, dass wir das Video in deutscher Sprache sehen konnten. Erst danach durften wir frei auf dem Hügel die Festung besichtigen. Nach gut
Taxi und Mt. Liamuiga
einer Stunde gingen wir abschließend noch einmal durch den Souvenirshop und setzten danach unsere Inselrundfahrt fort. Auf Brimstone Hill hatte der Busfahrer noch zwei junge Franzosen für die Rückfahrt nach Basseterre aufgelesen und uns gefragt, ob wir etwas dagegen hätten, wenn er sie mitnimmt. Wir hatten genügend Platz im Bus. Was sollten wir also dagegen haben? Vorbei an Sandy Point, kamen wir in den Norden der Insel und passierten die Wendeschleife der Schmalspurbahn. Mit der
Dieppe Bay
Fahrt von der Karibik- zur Atlantikküste hat man auch gleichzeitig den höchsten Berg der Insel, den Mt. Liamuiga mit 1.156m Höhe, umfahren. Der nächste Halt war ein Aussichtspunkt auf die Dieppe Bay mit ihrem großen vorgelagerten Riff auf der Atlantikseite. Ein wenig weiter südlich säumen die schwarzen Lavafelsen die Küste und komponieren mit den hereinbrechenden blau-weißen Wellen ein traumhaftes Bild. Weiter geht es parallel zur Schmalspurbahn und wir sind schon bald wieder am Flughafen und zurück in Basseterre. Die Südspitze der Insel mit ihren Hotelanlagen und Sandstränden schauen wir uns vom Schiff aus an. Wir drehen noch eine kleine Runde in Basseterre, kauften ein paar Lebensmittel ein und begeben uns anschließend zurück an Bord. Wir wollen auf jeden Fall noch diesen ungeliebten Ankerplatz verlassen. Um 1615 Uhr ziehen wir den Anker hinauf und fahren die 3 Nm mit dem Motor Richtung Süden zur White House Bay. Um 1720 Uhr liegt der Anker an 35 m Kette auf 8m Wassertiefe und wir in einem Bereich ohne Schwell. Eine Wohltat. Auch die Strandbar sieht, entgegen den alten Berichten aus dem Törnführer, richtig super aus. Von einer Ruine kann nicht mehr die Rede sein. Noch vor Sonnenuntergang fahre ich zum Anleger. Der ist geschlossen und in der Strandbar findet eine private Party statt. Keine Chance für uns hier den Abend zu verbringen. Wir bleiben also an Bord und Marina und Sascha starten mit den Vorbereitungen für das Abendessen. Es gibt Hühnchen mit Reis und Curry. Das Wolkenschauspiel über Basseterre sieht aus dieser Entfernung einfach super aus. Eine riesige Cumuluswolke, wie aus dem Lehrbuch. Nur darunter möchte man jetzt nicht sein. Die untergehende Sonne hüllt dies alles noch einmal in glutrote Farbe. Mit einem Carib in der Hand fühle ich mich wie im Kino. Wir genießen unser Essen und bekommen genug von der Live-Musik in der Strandbar mit. Bis auf unser Frühstück hatten wir bisher nichts gegessen. Von der Riesenportion bleibt deshalb auch nichts mehr übrig. Zum Abschluss trinken wir ein, zwei Gin-Tonic. Wir hatten vorgesorgt und eine Flasche Tanqueray an Bord. Etwas später kommt uns unsere Kokosnuss in den Sinn. Marina und Sascha haben noch nie eine frische Kokosnuss gegessen. Mit dem Hammer habe ich die Nuss schnell in tausend Teile zerlegt. Selbst Tage später finden wir Reste der Schale in irgendwelchen Ecken an Bord. Ganz so trocken bekommen wir die Nuss allerdings nicht runter. Der weiße Rum von Martinique, zubereitet als Ti-Punch, hilft dabei. Gut, dass es danach bis in die Koje nicht mehr so weit ist.